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Huelgas Ensemble & Paul Van Nevel

La poesia cromatica

Der italienische Geiger, Organist und Komponist Michelangelo Rossi (1601-1656) gehörte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu den Ausnahmeerscheinungen der musikalischen Landschaft Italiens.

In Genua geboren, arbeitete Rossi von 1624 bis 1629 in Rom im Dienste des Kardinals Maurizio von Savoyen, der an seinem Hofe eine erlesene Schar von Künstlern versammelt hatte. Hier komponierte Rossi seine ersten Madrigale, die für grosses Aufsehen sorgten, und auch seine ersten Instrumentalwerke, die "Toccata e Correnti". 1630 bis 1632 war Rossi Geiger und Organist an der Kirche San Luigi dei Francesci in Rom und komponierte die Oper Erminia, die als einziges seiner Bühenwerke bis heute erhalten ist. Von 1634 bis 1638 wirkte er am Hofes Francesco I. d´Este in Modena, ab 1648 bis zu seinem Tode wieder in Rom. In dieser Zeit komponierte er weitere bahnbrechende Werke, u.a. seine letzten Madrigale.

Neben drei instrumentalen Werken (u.a. aus der o.g. Sammlung Toccate e correnti) hat das auf die Musik der Renaissance spezialisierte Huelgas Ensemble auf dieser CD dreizehn Madrigale Rossis als Weltersteinspielung aufgenommen, die man sowohl im Hinblick auf ihren Stil als auch auf ihre Anziehungskraft als außergewöhnlich bezeichnen muss. Einige der Werke sind mit Streicherbegleitung zu hören, wie sie dem berühmten Geiger Rossi am Herzen lag. Rossi geht bei seinem Madrigalen weiter als seine Vorläufer Gesualdo und Sigismondo. Hypnotisch langsame Passagen wechseln regelmäßig mit schnelleren Teilen, die noch im kontrapunktischem Stil geschrieben sind. Mehr noch als Gesualdo greift Rossi zu überraschenden, unerklärlichen Melodiewendungen und Akkordverbindungen, die in der damaligen Zeit völlig unüblich waren. Auch in der Wahl der Tonarten und der Akkordfolgen beschreitet Rossi extreme Wege, aber weder die Chromatik noch die überraschende Melodiefolgen und abrupten Tempowechsel dienen einer puren Effekthascherei, sondern alleine dem musikalischen Ausdruck der zugrundeliegenden Texte. Diese genialen und wegweisenden Kompositionen hat der Leiter des Huelgas Ensemble, Paul van Nevel, entdeckt und gemeinsam mit seinem auf Renaissance-Musik spezialisierte Huelgas Ensemble brillant interpretiert. Ein Muss für alle Gesualdo- und Renaissance-Musik-Liebhaberinnen und -Liebhaber.

„Oft wird alte Musik nur ausgegraben, weil sie nett dudelt und niemanden stört. Paul van Nevel dagegen entdeckt mit seinem vorbildlichen Huelgas Ensemble einen Klangmanieristen, dessen Madrigale mit geradezu abgedrehten Halbton-Wanderungen schocken. Rossi (1601 bis 1656), in Rom und Modena tätig, ließ grenzgängerisch die Harmonien flackern und kippen; sogar Schlussphrasen bleiben offen. Faszinierend!“ (Kultur Spiegel 08/2009)

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