Eine musikalische Reise durch das Leben von Christoph Kolumbus durch hochinteressante, unbekannte Werke italienischer und spanischer Komponisten des 15. und 16. Jahrhunderts.
Das Huelgas Ensemble unter Leitung von Paul Van Nevel bereichert die Musikwelt ein um das andere Mal mit herausragenden Aufnahmen von entdeckenswerten Werken. So schreibt die Presse über seine voherige Aufnahme »Paul Van Nevel legt nun einen durchaus repräsentativen Ausschnitt aus Plantins Publikationen vor [...] Das ist wahrhaft affektreiches Musizieren.« (Fono Forum).
Mit diesem Album begibt sich das Ensemble auf die Suche nach der Musik, die Christoph Kolumbus in seinem abenteuerlichen Leben gehört haben könnte. Paul Van Nevel hat einige der interessantesten und großenteils unbekannten Werke von italienischen und spanischen Komponisten aus dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert ausgewählt. Das Album beginnt mit der Musik aus der italienischen Kindheit Kolumbus’: Das vollständig vierstimmige, homophone Karnevalslied »Visin, visin, visin« (Anonym) erzählt einen Scherz über Schornsteinfeger. Vor allem die Komposition von Bartolomeo Tromboncino (ca. 1465–nach 1534) »Se ben or non scopri« ist ein wahres Lehrbeispiel für die Frottola-Tradition – die vorherrschende, vierstimmige Liedform der italienischen Renaissancemusik.
Ein entscheidender Moment für die Begegnung von Kolumbus mit spanischen Komponisten war sein Zusammentreffen mit Los Reyes Católicos im Jahr 1486 und somit seine vielfachen Besuche bei Ferdinand und Isabella an ihren verschiedenen Aufenthaltsorten in Spanien – Sevilla, Córdoba, Madrid und Valladolid. Das Repertoire der Musikkapellen von Ferdinand und Isabella bestand vor allem aus weltlicher Musik, die in Volkssprache gesungen und von autochthonen spanischen Musikern komponiert wurde. Bemerkenswert ist dabei die zarte Einfachheit sowohl der Gesangstexte als auch der homophonen Musik. So erklingen auf dem Album beispielsweise das intime »Dime, triste coraçón« von Francisco de la Torre (ca. 1460–nach 1504), »Allá se me ponga el sol« von Juan Ponce (ca. 1475–nach 1520) und »La tricotea« von Alonso (Ende des 15. Jahrhunderts). Ein besonders auffälliges Stück ist »Amor con fortuna« von Juan del Encina (1468–1529), der zweifellos der populärste spanische Komponist zu Kolumbus’ Lebzeiten war.
»De mi perdida esperança« des in Sevilla singenden Juan de Triana (ca. 1450–nach 1490) ist ein wahres Exempel der zarten melancholischen Dreistimmigkeit, die ebenso typisch für die autochthone Musik an den spanischen Höfen war. Als Kolumbus nach seiner letzten Entdeckungsreise in Spanien seinen Fuß wieder an Land setzte, bekamen Isabella und Ferdinand 1506 Besuch vom Herzog Philipp dem Schönen, dessen Musikkapelle eine Reihe von Komponisten u. a. Mabrianus de Orto (ca. 1460–1529) und Alexander Agricola (1446–1506) enthielt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat also Kolumbus auch die Musik von diesen beiden Komponisten gehört.
Die gegen Ende des Albums erklingenden Sanctus und Agnus Dei aus der Messe »J’ay pris amours« (de Orto) und Agnus Dei aus der Messe »Malheur me bat« (Agricola) sind mit ihrem rhythmischen Erfindungsreichtum, den virtuosen Stimmführungen und polyphonen Konstruktionen rund um einen Cantus firmus Höhepunkte der franko-flämischen Renaissancemusik. Kolumbus sollte staunend zugehört haben!
Eine musikalische Entdeckungsreise – mit nahezu unbekannten, mehrstimmig weltlichen Gesängen italienischer und spanischer Komponisten des 15. Jahrhunderts und frühen 16. Jahrhunderts [...]. Zauberhaft ist die Einfachheit der Texte zu kunstvoller Musik: Ein charmantes Liebeslied begegnet dem frechen Scherz eines Schornsteinfegers oder der düsteren Klage Amor con fortuna des berühmten Juan del Encina. (Süddeutsche Zeitung 06/2019)
Wieder einmal haben van Nevel und sein Ensemble das Programm genau durchgeformt, sie singen sehr präzise und mit einer Ökonomie, die eine genaue Formung von Linien ermöglicht, vom fast atemlosen Ansetzen bis hin zum leisen Verhauchen. Es sind vor allem die einfach gehaltenen, homophonen Melodien, die den reduzierten Einsatz musikalischer Mittel mit hohem Ausdrucksgehalt verbinden. Diese Art von Minimalismus gebiert ein besonders intensives Leuchten, denn die Werke brauchen keine Wucht, kein kraftvolles Dröhnen. Paul van Nevel und seine Mitstreiter finden eine ideale Balance. (Fono Forum 08/2019)